Auf Arabisch bedeutet die Nacht des Schicksals „Laylat ul-Qadr“. „Qadr“ heißt so viel wie Größe und Schicksal. Die Nacht des Schicksals ist die Nacht in der der heilige Koran ganz offenbart wurde und in dieser Nacht wird das Schicksal des Menschens bis zum nächsten Laylat ul-Qadr festgelegt. Diese Nacht ist die tugendhafteste Nacht des Jahres und die Nacht der göttlichen Barmherzigkeit. Die Sünden werden vergeben und die Engel erscheinen auf der Erde und nach einigen schiitischen Überlieferungen präsentieren sie dem Imam das Schicksal der Diener für das kommende Jahr.
Der genaue Tag des Laylat ul-Qadr ist nicht bekannt, dennoch kann man aufgrund der zahlreichen Überlieferungen festlegen, dass er im Monat Ramadan liegt und höchstwahrscheinlich in einer der Nächte zum 19., 21. oder 23. des Monats ist. Die Schiiten legen mehr Wert auf die Nacht zum 23. Ramadan und die Sunniten mehr auf die Nacht zum 27. Ramadan.
In diesen Nächten verweilen die Schiiten nach Maßgabe der Unfehlbaren (Friede sei mit ihnen) im Gottesdienst, rezitieren den Koran, beten und verrichten andere Rituale und Praktiken. Unter den Schiiten hat auch das Martyrium von Imam Ali durch den Schlag auf seinen Kopf (Friede sei mit ihm) Bedeutung gewonnen, indem in den ersten beiden Nächten auch die Trauer um diesen Imam zu den Ritualen gehört.
Die Position und die Bedeutung der Nacht des Schicksals
Laylat ul-Qadr ist in der islamischen Kultur die wichtigste und beste Nacht des Jahres. Laut einer Überlieferung des Propheten (Friede sei mit ihm) ist die Nacht des Schicksals eine Segnung Gottes für die Muslime, die keinem Volk vorher je beschert worden ist. Im Koran handelt ein ganzer Kapitel (Surah) nur über diese Nacht und trägt ebenfalls den gleichen Namen „al-Qadr“. In dieser Surah wird beschrieben, dass der Wert jener Nacht höher als tausend Monate ist. Laut Imam Baqir (Friede sei mit ihm) sind „Gottesdienst und andere Taten in der Nacht des Schicksals, wie Gebete, Zakat und desgleichen, besser als die Handlungen, die man in tausend Monaten verrichten würde, die nicht in der Nacht des Schicksals wären.“ Die Verse eins bis sechs von Surah „al-Dukhan“ befassen sich ebenfalls mit der Bedeutung und Wichtigkeit dieser Nächte.
In einer Erzählung von Imam Sadegh (Friede sei mit ihm) heißt es, dass der beste Monat der Monat Ramadan und das Herz des Ramadans die Nacht des Schicksals sei. Es wurde auch vom Propheten (Friede sei mit ihm) berichtet, dass Laylat ul-Qadr der Meister aller Nächte sei. Nach narrativen und juristischen Quellen sind die Tage des Schicksals genauso kostbar und tugendhaft wie seine Nächte.
In einigen Überlieferungen wird angegeben, dass Fatima (Friede sei mit ihr) das Geheimnis der Nacht des Schicksals sei. In Bezug auf ihren Status sagte der heilige Prophet (Friede sei mit ihm): „Fatima ist ein Zweig meiner Existenz, daher ist ihre Freude und Trauer meine Freude und Trauer, und wer Fatima verletzt, verletzt auch mich und wer Fatima glücklich macht, der hat auch mich glücklich gemacht. Auch die Freude und der Zorn Gottes sind die Freude und der Zorn meiner Tochter Fatima.“ Diese Überlieferung zeigt die Größe und Wichtigkeit der Dame Fatima Zahra.
Wenn jemand die Nacht des Schicksals verstehen und richtig wahrnehmen will, sollte Fatima Zahra flehentlich um Hilfe bitten und eines der Dinge, das sie zufrieden stellt ist die Verbindung einer Person zu „Ashura“, denn „Ashura“ ist der Verbindungsträger eines Gläubigen mit Imam Ali (Friede sei mit ihm).
Das Auftreten einiger Ereignisse, wie das Martyrium von Imam Ali (Friede sei mit ihm) am 23. Ramadan, hat die Bedeutung dieser Nächte für die Schiiten erhöht, daher trauern sie auch in dieser Nacht um den Imam und kümmern sich nicht nur darum die empfohlenen Maßnahmen dieser Nächte zu tätigen.
Die Offenbarung des Korans
Der erste Vers der Surah „al-Qadr“ und der dritte Vers der Surah „al-Dukhan“ weisen darauf hin, dass der Koran in der Nacht des Schicksals offenbart wurde.
Der heilige Koran wurde auf zwei Arten offenbart:
a) der gesamte Koran auf einmal in einer bestimmten Nacht
b) schrittweise in 23 Jahren während des Prophetentums von Mohammad (Friede sei mit ihm)
Allameh Tabatabai, ein großer Exeget des Korans, glaubt diesbezüglich folgendes: „Der Koran hat zwei Existenzen: eine exoterische in Form von Wörtern und Äußerungen und eine esoterische, die in seiner ursprünglichen und tatsächlichen Position ist (der Koran hat eine andere Existenz und Realität, die hinter dem Schleier der exoterischen Existenz verhüllt ist und sich vor dem normalen Sehen und Verstehen verbirgt. In seiner esoterischen Existenz ist der Koran frei von jeglicher Analyse und Erläuterungen). In der Nacht des Schicksals wurde der Koran dem Propheten in seiner esoterischen Existenz offenbart. Dann wurde er in seiner exoterischen Form detailliert und offensichtlich in verschiedenen Intervallen und bei verschiedenen Gelegenheiten und Ereignissen während der Zeit des Prophetentums allmählich enthüllt.“
Die Bestimmung des Schicksals
Imam Baqir (Friede sei mit ihm) erklärt zum Vers 4 der Surah „al-Dukhan“, dass jedes Jahr in der Nacht des Schicksals, das Schicksal bis zum nächsten Jahr eines Menschen bestimmt wird. Allameh Tabatabai besagt: „Qadr bedeutet Maß und Schicksal, und in dieser Nacht bestimmt Gott Dinge wie Leben, Tod, Unterhalt, Glück und Unglück des Menschen.“
Da diese Nächte einen großen Einfluss auf die Bestimmung des Schicksals der Menschen haben, werden die Gläubigen angewiesen, zu versuchen, ihr Schicksal durch wirksame Faktoren wie Bittgebete, Anbetung und gute Taten zu ihren Gunsten zu ändern.
Der Herabkommen der Engel auf die Erde
Nach den Versen der Surah „al-Qadr“ kommen jedes Jahr in der Nacht des Schicksals vom ersten Schöpfungstag bis zum Ende der Welt Engel und Seelen auf die Erde herab. Nach einigen Überlieferungen überbringen sie dem Imam die Schicksale für das kommende Jahr.
Daher muss es zu jeder Zeit einen unfehlbaren Imam geben, damit die Engel ihn über die Schicksale informieren können. Der Beweis Gottes auf Erden in der heutigen Zeit ist Imam Mahdi (möge Allah sein Wiedererscheinen beschleunigen). Er ist Gottes Beweis und der Nachfolger des heiligen Propheten (Friede sei mit ihm und seinen Nachkommen). Er ist unfehlbar von allen Sünden und Unreinheiten und daher der Meister der Nacht des Schicksals.
Die Vergebung der Sünden
Nach islamischen Quellen ist Laylat ul-Qadr eine besondere Nacht der göttlichen Barmherzigkeit und Vergebung der Sünden, und in dieser Nacht wird der Teufel angekettet und die Tore des Paradieses werden für die Gläubigen geöffnet. Der Prophet sagt beruhend auf der Exegese der Surah „al-Qadr“: „Wer die Nacht des Schicksals wach bleibt und gläubig ist und an dem Tag des Jüngsten Gerichts glaubt, dem werden alle seine Sünden vergeben.“
Die Handlungen und Rituale der Nacht des Schicksals
Muslime in islamischen und auch in nicht islamischen Ländern verbringen in diesen Nächten mehr Zeit in Moscheen. Jedes Jahr führen sie die Riten und Zeremonien des Laylat ul-Qadr in ihren Moscheen, andere ruhige Orte, Mausoleen von Imamen oder Nachkommen der Imame, Gemeinden oder in ihren Häusern durch und bleiben diese Nächte wach bis zum Morgengrauen und verbringen diese mit Anbetung. Sie beten zu ihrem Gott, bitten um Vergebung und rezitieren die Audienz zu Aschura, ein Bittgebet, das aus wertvollen Inhalten besteht und dessen Rezitation betont wird.
Die wichtigsten Handlungen können auch zusammen und öffentlich durchgeführt werden. Dann werden ebenfalls Vorträge von Gelehrten gehalten, gemeinsam gebetet, besondere Bittgebete wie „Jauschan Kabir“ und das Heben des Korans werden rezitiert und zudem wird für das Erscheinen des Erretters Imam Mahdi (möge Allah seine Wiedererscheinung beschleunigen) gefleht.
Das Bittgebet „Jauschan Kabir“ wurde vom Propheten (Friede sei mit ihm) überliefert und besteht aus 100 Paragraphen, die insgesamt 1001 Namen und Attribute Gottes enthalten. Am Ende jeden Abschnitts werden jedes mal drei Sätze wiederholt, indem Gott verherrlicht, seine Einheit bezeugt und um die Befreiung vom Höllenfeuer gefleht wird: „Ehre sei Dir, neben dem es keine Gottheit gibt! Du bist Sicherheit und Frieden! Errette uns vor dem Feuer der Hölle!“
In diesem Bittgebet stammen die meisten Namen Gottes und andere Ausdrücke aus dem Koran und werden so nebeneinander gestellt, dass sie nicht nur rhythmisch und eloquent sind, sondern in den meisten Fällen enden Namen und Attribute auch mit mehreren gleichen Buchstaben.
Iftar und Sahur zu geben, Gelübde und Wohltätigkeit für die Toten zu leisten, die Armen zu ernähren und ihnen zu helfen und die Gefangenen zu befreien, sind ebenfalls weitere Handlungen dieser Nächte.
übersetzer: N. Bayani